Schwache Verbindung?

11. Nov 2021Thomas Weidauer
Schwache Verbindung?

Cambridge-Studie nennt schwache neuronale Verbindungen als Ursache für Lernschwierigkeiten und AD(H)S

Lernschwierigkeiten und damit verbundene kognitive und Verhaltensprobleme sind heute ein weit verbreitetes Problem. Es wird geschätzt, dass weltweit zwischen 14 und 30 % aller Kinder und Heranwachsenden unter einem Problem im Zusammenhang mit Lernen und Aufmerksamkeit leiden. Zum Teil gibt es dafür sogar eine formelle Diagnose, wie z.B. Dyslexie oder Dyskalkulie. In anderen Fällen wird eine Entwicklungsstörung, wie z.B. ADHS oder Autismus beschrieben.

Keine Fehlfunktion des Gehirns

Doch warum genau bekommt das sich entwickelnde Gehirn irgendwann solche Probleme, dass es Unterstützung braucht und nicht mehr „normgerecht“ funktioniert? Es wurde lange spekuliert, dass bestimmte Hirnregionen in ihrer gesamten Funktion eingeschränkt sind und so die entsprechenden Störungen auftreten. Eine Studie von der University of Cambridge konnte jedoch herausfinden, dass diese Schwierigkeiten nicht mit einer „Fehlfunktion“ in entsprechenden Gehirnregionen übereinstimmen, sondern vielmehr eine Entkopplung bzw. schwache Vernetzung zwischen „hubs“ im Gehirn die Ursache sein könnte.

Was sind „brain hubs“?

„Praktisch alle Bereiche der kognitiven Funktion erfordern die Integration der neuronalen Aktivität. Im menschlichen Gehirn hat man wiederholt verschiedene „Sets“ von Hirnregionen identifiziert, die wichtig für die neuronale Signalgebung und Kommunikation sind. Die zentrale Verknüpfung dieser „hubs“ in anatomischen Netzwerken unterstützt ihre diversen Funktionen. Diese Zentralität macht sie allerdings auch anfällig für Entkopplung und Fehlfunktion bei Störungen des Gehirns."
Quelle: Science Direct 2

Die Wissenschaftler untersuchten 479 Kinder im Alter von 62 bis 223 Monate, von denen 299 Jungs waren und 337 aufgrund von Lernschwierigkeiten an die Studie überwiesen wurden. Maschinelle gesteuertes Lernen legte dann kognitive Profile der Probanden an, die signifikant mit der Lernfähigkeit der Kinder übereinstimmten. Ebenso wurde ein neuronales Profil angelegt, quasi eine Karte des Gehirns.
Bei einem Vergleich stellte sich dann heraus, dass es kein bestimmtes neuronales Profil für unterschiedliche kognitive Schwierigkeiten gab. Einfach gesagt, es konnte nicht bestätigt werden, dass Lern- und Entwicklungsstörungen mit einer bestimmten Hirnregion und fehlender Funktionsfähigkeit in dieser speziellen Region in Verbindung gebracht werden können, sondern dass es eine allgemein schwache Vernetzung zwischen unterschiedlichen „hubs“ gab und die Kinder aus diesem Grund Schwierigkeiten beim Lernen und Verhalten aufwiesen.

Das Gehirn ist in Netzwerken organisiert und Kinder mit gut vernetzten „hubs“ wiesen in der Studie entweder nur sehr spezielle Schwierigkeiten oder gar keine auf. Wiesen die „hubs“ eine schwache Verbindung auf, gab es weitreichendere und stärker ausgeprägte Probleme. Es mag logisch erscheinen, dass gut vernetzte Bereiche eine wichtige Rolle bei der Informationsweitergabe innerhalb des Gehirns spielen.

Das Netz verbessern

Wir wissen mittlerweile aus unzähligen Studien, dass das menschliche Gehirn formbar ist. Neuroplastizität ermöglicht es uns, die Vernetzung des Gehirns zu verändern bzw. zu verbessern. Und zwar ein Leben lang. Wir können uns mit gezielten Übungen darauf konzentrieren, die Verknüpfung einzelner Hirnregionen und damit ihre Verbindung und Kommunikation zu verbessern, um Symptome wie Lernschwierigkeiten und AD(H)S (und andere neurologische Probleme) zu adressieren und zu bewältigen.

Quellen:
1. Current Biology: Transdiagnostic Brain Mapping in Developmental Disorders; https://www.cell.com/current-biology/fulltext/S0960-9822(20)30158-5?_returnURL=https%3A%2F%2Flinkinghub.elsevier.com%2Fretrieve%2Fpii%2FS0960982220301585%3Fshowall%3Dtrue
2. Science Direct: Network hubs in the human brain; https://www.sciencedirect.com/science/article/abs/pii/S1364661313002167

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