Dyskalkulie: Mehr als nur Zahlensuppe

17. Jul 2019Thomas Weidauer
Dyskalkulie: Mehr als nur Zahlensuppe

Bei Dyskalkulie handelt es sich um eine Werkzeug-Problematik, bei denen den betroffenen Kindern das Handwerkszeug fehlt, um Zahlen als Mengen zu begreifen. Ihr Verständnis der Zahlen als Symbole und nicht als Mengen verhindert das Erlernen der Grundrechenarten. In der Definition heißt es, das die Kinder ein Verständnisproblem im arithmetischen Grundlagenbereich haben, das heißt, sie machen systematische Fehler, die auf Verinnerlichungsproblemen beruhen. Im Gegensatz dazu ist die Intelligenz nicht betroffen, häufig ist sie sogar überdurchschnittlich. Daher gehen die gängigen Systeme zur Diagnose also von einer Entwicklungsstörung aus, die mit Intelligenzminderung nichts zu tun hat.

Derzeit besagen Statistiken, dass 5-7 % der Weltbevölkerung unter Dyskalkulie leiden. Erste Anzeichen treten meist im Vorschulalter auf, wenn die Kinder Probleme beim Zählen von Gegenständen und Schwierigkeiten mit Mengeneinheiten und Maßen zeigen. Auch Mengenverhältnisse wie „mehr, kleiner, größer, weniger“ sind schwierig.

Sind die betroffenen Kinder einmal eingeschult, wird das Hauptfach Mathematik zur echten Herausforderung. Rechenschritte, Rechenarten und Mathematikaufgaben werden nicht verstanden und so gelingt möglicherweise das Auswendiglernen (z.B. 5er-Reihen) kurzfristig, durch das fehlende Verständnis ist das Rechnen veränderter Aufgaben aber nicht möglich.

Der schulische Alltag setzt durch diese Form der Werkzeugstörung, die auch durch Fleiß und Willenskraft nicht zu beheben ist, einen Teufelskreis in Gang. Das betroffene Kind „muss“ sich Vermeidungs- und Kompensationsstrategien aneignen, um die Herausforderung Mathematik zu bewältigen. Denn das Versagen und die Misserfolge in einem der Hauptfächer lösen bei dem Kind Angst, sozialen Rückzug und sogar körperliche Problem, wie Kopf- und Bauchschmerzen, aus.
Versuchen die Kinder am Anfang vielleicht noch, ihr mathematisches Unverständnis durch Clownerie oder sogar Aggression zu kompensieren, wird daraus schon bald Resignation und Rückzug. Viele Kinder fühlen sich als Versager, werden möglicherweise zu Mobbing-Opfern und die Kombination aus negativem Selbstbild und verständnisloser Umwelt überträgt sich auch in andere Fächer. Von Mitschülern werden sie möglicherweise für dumm gehalten und gehänselt, aber auch im familiären Rahmen können Ungeduld und Unverständnis den Ton bestimmen. Aussagen wie „Streng dich gefälligst an“, „Du musst mehr lernen“, unzählige Nachhilfestunden und Bestrafungen sind nicht nur sinnlos, sie verstärken auch ein Selbstwertgefühl, das sich auf Talfahrt befindet. Die Folge können Motivationsverlust, Schulverweigerung und weitere psychische und physische Erkrankungen sein.

Aber genau hier können Lehrkräfte und vor allem Eltern ansetzen. Sie können sich fragen:
- Hat mein Kind im Fach Mathematik immer wieder Schwierigkeiten, schon bei einfachsten Aufgaben?
- Ist das Thema Matheaufgaben ständig Auslöser für Streit, Aggressionen oder Wutausbrüche?
- Zieht sich Ihr Kind vermehrt zurück und wirkt irgendwie traurig oder unmotiviert?
- Wird der tägliche Gang zur Schule zu einem körperlichen und psychischen Drahtseilakt? Weigert sich Ihr Kind, in die Schule zu gehen oder reagiert es sogar mit körperlichen Symptomen, wie Übelkeit, Erbrechen oder Schmerzen?

Zur genauen Feststellung einer Rechenschwäche gibt es bei berechtigtem Verdacht eine Reihe von Tests. Bevor Sie also möglicherweise die Geduld mit Ihrem Kind verlieren oder Schwierigkeiten mit Ihrem Verständnis bekommen, wenden Sie sich an qualifizierte Fachkräfte und holen Sie sich Hilfe. Dyskalkulie ist schließlich keine Frage von Dummheit, Faulheit oder mangelnder Motivation.

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