ADHS? Reiß dich mal zusammen, du bist doch schon groß.

22. Jan 2020Thomas Weidauer
ADHS? Reiß dich mal zusammen, du bist doch schon groß.


Ist ADHS eine Kinderkrankheit?

Krankheitsbild ADHS. Typischerweise der 6-8jährige Junge, letztes Jahr im Kindergarten oder gerade eingeschult, männlich, ein typischer Zappelphilipp. Nur dass man das heute eben nicht mehr so nennt und Erziehungspersonal in Tageseinrichtungen schon früh nach einer Diagnosebatterie ruft.

Das sind kleine Jungs, die einfach nicht stillsitzen können, schlecht zuhören und dauerhaft abgelenkt sind. Fällt das Herumzappeln und Wippen weg, schaut das Kind stattdessen ebenso abgelenkt aus dem Fenster und träumt, dann ist es meist ein Mädchen und hat die Aufmerksamkeitsstörung eben ohne Hyperaktivität. Gleiches Problem, anderes Kleid.
So weit das Klischee, vermischt mit ein wenig Statistik.

Und doch existiert neben der ewigen Diskussion, ob es so etwas wie ADHS überhaupt gibt, es nicht nur eine „Erfindung“ überforderter Eltern, ignoranter Ärzte und gieriger Pharmazeuten ist, auch die ständige Unwissenheit darüber, ob es sich hier um ein reines Kinderproblem handelt.
Denn es wurde und wird teilweise immer noch davon ausgegangen, dass ADHS sich „auswächst“. Das heißt, werde einfach erwachsen und das Problem verschwindet von ganz allein.
Das ist in etwa so, als würde man sagen: Werde nur erwachsen, dann verschwindet der Heuschnupfen von selbst. Den haben nämlich nur Kinder.

Nicht NORMal...
Weit gefehlt. Richtig aber ist, dass die Symptomatik eine gewisse Eigendynamik entwickelt und sich mit dem Großwerden verändert. Die Schablone, in die Kinder von Eltern, der Gesellschaft und den pädagogischen Fachkräften in unseren Bildungsinstitutionen gepresst werden sollen, passt natürlich nicht mehr. Aber auch der Umgang der Betroffenen mit ihren Problemen verändert sich. Zu guter Letzt verändern sich dann auch noch die Symptome selbst.

Das ständige Zappeln und überaktive Verhalten verringert sich ungefähr ab der Pubertät und dennoch bleibt eine starke innere Unruhe bestehen. Und die Fähigkeit, sich auf etwas zu konzentrieren, bleibt schlecht ausgeprägt, doch erwachsene Disziplin und hilfreiche Bewältigungsstrategien unterstützen Erfolge im Alltag. Für betroffene Erwachsene ist nicht zuletzt aus diesem Grund die richtige Berufswahl entscheidend. Ob es sich um Schwierigkeiten, über einen längeren Zeitraum zuzuhören, handelt oder die mögliche Überforderung in z.B. Meetings oder Gruppendiskussionen, ein erwachsener ADHS-Patient braucht im Berufsleben einen guten Werkzeugkoffer mit Tools, die Überforderung, Stress, Emotionsregulation und Anspannung in hilfreiche Bahnen lenken.
Und das ist im privaten Bereich nicht anders. Möglicherweise wenden sich Gefühle von Überforderung und Misserfolg in ein aggressives Verhalten oder sozialen Rückzug und Substanzmissbrauch.

Wo Schatten ist, da muss auch Licht sein
Wie bei vielen Problembildern sieht die Gesellschaft meist nur das Negative und übersieht dabei, wie viele Potenziale bei ADHS in Kindern und Erwachsenen schlummern. Ob eine besondere Sensibilität oder eigenwillige Kreativität, Betroffene mit ADHS sind keine weniger intelligenten Störenfriede, die mit Medikamenten ruhiggestellt werden müssen. Sie sind Menschen mit speziellen Herausforderungen im Alltag, auf die eben kein DIN-Stempel passt, was sie aber nicht weniger liebenswert oder wertvoll macht.

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